Mistel

Viscum album 3Botanisch: Viscum album

Deutsch: Mistel

Synonyme: Gemeine Mistel, Laubholz-Mistel, Affolter, Bocksfutter, Drudenfuss, Elfklatte, Geisskrut, Hexenbesen, Donnerbesen, Hexenkrut, Hexennest, Immergrüne, Kluster, Leimmistel, Marenklatte, Marentaken, Mischgle, Mischgelt, Misple, Mistelsenker, Nistle, Vogelchrut, Vogelkläb, Leim-Mitel, Vogelmistel, Wespe, Wintergrün, Wispel, Wispe

Familie: Loranthaceae

Blütezeit: Juni bis September

Viscum albumVorkommen: In ganz Europa, im Iran, in Pakistan, im nördlichen Indien sowie in China und Japan verbreitet. Wildwachsend in drei Unterarten in Kronen und auf Ästen verschiedener Laub- und Nadelholzbäume wie Birke, Esche, Weide, Pappel, Ahorn, Linde, seltener auf Eiche, Buche, Kiefer, Fichte und Tanne, gelegentlich auch auf Obstbäumen (Apfel, Birne).

Sammelzeit: Junge Zweige mit Blättern sowie Blätter das ganze Jahr über, da die Pflanze immergrün ist. Nach Dinand im Dezember oder Januar.

Verwendete Teile: Zweige, Blätter, Beeren.

Anmerkung: Die Mistel ist ein Halbschmarotzer, der mit Saugwurzeln seiner Wirts­pflanze Wasser und Nährsalze entnimmt. In neuerer Zeit gewinnt die Mistel an Bedeutung, da dem Mistelextrakt krebshemmende Wirkung nachgesagt wird.

In alter Zeit wurde aus den Beeren ein Leim hergestellt, der dem Fangen von Vögeln diente.

Viscum album L. 3Inhaltsstoffe: Hauptwirkstoff ist Viscotoxin (Mistel-Herzstoff, ca. 0,05—0,1 %). Mistel-Herzstoff hat eine örtlich sehr heftig reizende und nekroti­sierende Wirkung und ist ein exquisites Zellgift, dem aber selbst in 4 %iger Lösung die hämolytische Wirkung fehlt. Die toxischen Mistelinhaltsstoffe werden bei oraler Gabe nicht resorbiert. Nebenwirkstoff ist ein Gemisch von Acetycholin und Cholin. Das Acetylcholin ist in der Pflanze und im frischen Mistelsaft wahrscheinlich an Eiweiß oder einen anderen Träger verankert und dadurch stabilisiert. Des weiteren: In Blatt und Frucht Ursonin der Frucht wie im Blatt Cholin, außerdem das kautschukartige Viscautschin, im Blatt ätherlösliches Gemisch von 2 Harzalkoholen und Oleanolsäure (Viscum-säure). Saponine sind nicht vorhanden.

Pharmakologie: Wenn die Mistel oral überhaupt blutdrucksenkend wirken sollte, so müsste diese Wirkung anderen, bisher nicht bekannten Wirkstoffen zukommen, die auch vom Magen-Darm-Kanal wirksam sein müssten. Die bekannten übrigen Inhaltsstoffe der Mistel sind für die Gesamtwirkung der Pflanze ohne Bedeutung. In neuerer Zeit ist festgestellt worden, dass Mistelsaft bzw. Mistelextrakte ebenso wie Colchicin das Wachstum künstlich erzeugter Pflanzentumoren hemmenAuch konnte im Tierversuch durch peri- und intratumorale Einspritzung des Mistelextraktes Plenosol eine günstige führende Wirkung auf Impftumoren und in einem hohen Prozentsatz Heilung der Carcinom-Mäuse erzielt werdenDiese dem nekrotisierend wirkenden Viscotoxin zuzuschrei­bende antitumorale Wirkung hat man auch am Menschen bei inoperablen bösartigen Neoplasmen auszunutzen versucht, ohne dabei, außer Viscum album KBeiner Besserung des Allgemeinbe­findens, einen Einfluss auf die Tumoren selbst feststellen zu könnenDagegen kann mit der allerdings nicht einfachen, vor allem strenge individuelle Dosierung erfordern­den intravenösen Plenosoltherapie, vorübergehend einen Stillstand des Tumorwachstums, Hebung des Allgemeinbefindens und nicht selten auch eine Schmerzlinderung erreicht werden

Vergiftungen sind bisher nicht bekannt und bei oraler Zufuhr durch die Mistel und Mistelextrakte auch nicht zu befürchten, mit Ausnahme von örtlichen Entzündungserscheinungen im Magen-Darm-Kanal nach ganz großen Dosen.

Eigenschaften: Oral werden die Mistel und Mistelpräparate vor allem wegen ihrer angeblichen blutdrucksenkenden Wirkung angepriesen, sind aber nach den Ergebnissen der experimentellen Forschung als oral unwirksam anzusehen oder werden, falls wirklich Flavon vorhanden und dadurch eine bescheidene gefäßerweiternde und blutdrucksenkende Wirkung auch bei der oralen Zufuhr gegeben sein sollte, durch flavonreichere Heilpflanzen übertroffen und zu ersetzen sein. Parenterale (intravenöse) Misteltherapie hypertonischer Zustände ist wegen der toxischen Wirkung des Viscotoxins unter allen Umständen abzulehnen, die intra- bzw. peritumorale sowie die vorsichtig durchgeführte intravenöse Behandlung inoperabler bösartiger Tumoren mit Mistelextrak­ten nach den bisherigen Ergebnissen dagegen zu versuchen, die parenterale Mistel-Therapie bei Arthrosen, Spondylitis, Neuritiden und verwandten Leiden durchaus zu empfehlen

Viscum album 2Verwendung und Rezepturen: Verschiedene Quellen der Kräuterheilkunde berichten von guten Erfolgen bei EpilepsieKneipp verabreichte hier morgens Olivenöl und abends eine Messerspitze Mistelpulver. Dinand meinte, man könne die Wirkung des Pulvers durch eine Zugabe von Sandelholzpulver verstärken. Dinand empfielt gegen Mutterschmerzen ein Sitzbad in Mistelabsud und erhöht die Wirkung durch eine Zugabe von Zinnkraut.

Homöopathie: Erkrankungen des arteriellen Gefässsystems, des Herzens, der Atemwege, der weiblichen Geschlechtsorgane sowie des Stütz- und Bewegungsapparates.

Fuchsius: Krafft und würckung: Mystel mit hartz und sovil wachß vermischt unnd übergelegt / zeitiget / verzert / weycht / und zeücht zusamen die ohrmützel / unnd allerley geschwulst. Mit weyrauch vermischt / und auff allte geschwär gelegt / heylet sie. Er verzert und macht klein das miltz / mit kalch vermischt. In summa / Mystel zeücht herauß allerley subtile und grobe feüchtigkeyt / zerteylt und verzert darnach dieselbigen.

Tabernaemontanus:

Innerlicher Gebrauch: Es melden RONDELETIUS unnd HOLETIUS/ dass die Eychenmistel ein sonderliche Krafft unnd Eygenschafft habe/ wider die Fallendsucht/ und dasselbige nicht von wegen jhres TEMPERAMENTI/ sondern vielmehr TORIUS SUBSTANTIAE FAMILIARITATE.

Ein gut Pulver für die Kinder/ so mit der Fallendsucht beladen seyn: Nim Peonienwurtzel und Samen jedes ein Quint. Sesel/ Aniss und Fenchel jedes ein halb Quint. Eychenmistel i Quint. mach sie zu einem Pulver/ mische darunter Zuckercandit ein Untz/ von diesem Pulver sol man dess Morgens dem Kind ein Quent. mit Milch eingeben.
Etliche machen auch Pillulein darauss/ unnd gebensie den alten Personen wider obgemelte Krankheiten: Nim Eychenmistel/ Peonienwurtzel und Samen jedes anderthalb Quint. Muscatennüss Iqu. Aniss anderthalb Qu. Buglossenzucker sieben Qu. darauss mach Pillen/ welcher man eines Quentleins schwer eingeben sol.
Es sagen etliche/ man müsse die Misteln darzu gebrauchen/ welche die Erden noch nicht berühret haben.
Etliche Leuth brauchen sie auch wie ein AMULETUM/ lassen sie in Silber fassen/ oder machen sie an ein Schnur/ und hencken sie den Kindern an den Halss.
Man sol aber diese Mistel den krancken Personen nit mit Wein eingeben/ wie etliche schreiben und fürgeben/ sondern mit einem andern tauglichen LIQUORE/ als mit Lindenblüetwasser/ oder Bingenrosenwasser/ dann der Wein in dieser Schwachheit gar schädlich ist.
Wenn ein Kind die Spülwürm hat/ sol man die Rinde von Eychenmistel zu Pulver stossen und dem Kind Morgens nüchtern mit Milch eyngeben/ sollen sie in neun Stunden sterben.
Eychenmistel zu Pulver gestossen/ und den geberenden Weibern geben/ so in Kindsnöten liegen/ sol jhnen der Geburt bald abhelffen/ mit Wein oder Beifusswasser eingenommen/ (unnd bewahre die Frucht vor der Fallendensucht.)
Etliche sagen/ dass sie den Menschen für dem Aussatz bewahren/ in Wein gesotten/ unnd darvon getruncken/ (dann sie allen Melancholischen Phlegmatischen Schleim durch den Stulgang ausstreibe: daher sie auch dem Schwindel wehre.)
Es sollen die Beern an den Misteln gar nicht jnnerlich in Leib gebraucht werden/ dann sie demselbigen Schaden thun.
Etliche Leuth brennen Wasser auss den Misteln/ geben dasselbige zu trincken/ sol ein sonderliche Artzney sein wider die Gicht: sie beytzen sie aber zuvor ein Tag oder zwey in Wein/ und distilliren darnach das Wasser darvon/ auch sagen sie/ dass man die Glieder darmit reiben muss.
Eychenmistel in Wein gesotten/ und darvon getruncken/ sol gut seyn wider die Lungensucht/ Lebersucht unnd wider das Blutspeyen.
Es haben die Alten die Mistel/ OMNIA SANANTEM/ genent/ also viel haben sie darvon gehalten/ und auch so hoch geachtet/ dz sie den Baum für heilig gehalten haben/ darauff er gewachsen ist: Es wird auch von vielen geachtet/ dass sie wider das Gespenst und Zauberey gut sey.

Äußerlicher Gebrauch: Wenn man Mistel mit Hartz und Wachs zu einem Pflaster macht/ und uberlegt/ so erweichet sie/ zeitiget und verzehrt die Geschwülst hinder den Ohren/ so man PAROTIDAS nennet/ auch andere Geschwülst mehr.

(Den Safft darauss gepresst/ und in die Ohren gethan/ erweicht die harten Knollen derselbigen bald/ und milteret den Schmertzen.
Die Blätter nur an die Händ und Fussohlen gebunden/ sollen die Gelbsucht zertheilen.
Mit Blättern und allen zerstossen/ und mit Kappenschmaltz zum Pflaster gemacht/ sol die lamen Glieder wider zu recht bringen.
Mistel mit ungeleschtem Kalck zerstossen/ und auffgelegt/ sol das Miltz verzehren: mit dem kraut Schaffgarben ein Pflaster gemacht/ und auffgelegt/ heylet die Brüchlein der jungen Kinder.)
Baumlein mit Arsenick vermengt/ macht die Nägel glatt/ unnd zeugt die scharffe/ und rauhe Nägel herauss.
Wenn die Weiber gross Wehe an der Mutter haben/ sollen sie Mistel in Wasser sieden/ und sich darinn setzen/ soll es besser werden.

Bilbliografie:

 

Prof. Dr. Karl Hiller, Prof. Dr. M. F. Melzig, Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen, 1999

Tabernaemontanus, ( Jakob Dietrich, Jacob Ditter/Diether bzw. Jacob Theodor), Neuw Kreuterbuch, 1588-91

August Paul Dinand,Handbuch der Heilpflanzenkunde, 1921

Pedainos Dioskurides, Materia Medica, 1. Jahrh.

Gessner-Orzechowski, Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa, 1974

Heilpflanzen-Lexikon für Ärzte und Apotheker, Dr. Hans Braun, 1968

Leonhardus Fuchsius, “New Kreuterbuch, in welchem nit allein die gantz histori, das ist namen, gestalt, statt und zeit der wachsung, natur, krafft und würckung…” von 1543.

“Köhlers Medizinal-Pflanzen” von 1883 bis 1887.

Dr. Friedrich Losch, Kräuterbuch, 1903

Stauffer: Klinische Homöopathie, Arzneimittellehre