Botanisch: Valeriana officinalis
Deutsch: Echter Baldrian
Synonyme: Dennenmark, Katzenkraut, Augenwurzel, Hexenkraut, Augenwurz, Ballerjan, Mondwurz, Marienwurzel, Wendwurzel, Baiderjahn, Baiderbracken, Arzneilicher Baldrian,
Familie: Valerianaceae
Blütezeit: Trugdolde mit weißer bis purpurroter Blüte. Juni bis August
Sammelzeit: Im Herbst (September — Oktober) oder im März – April vor der Blüte.
Sammelteile: Wurzelstock samt dünnen, langen, faserigen, walzenförmigen Nebenwurzeln.
Vorkommen: Auf feuchten bis sumpfigen Wiesen, im Ufergebüsch an Bächen und Flüssen, an Gräben, Hängen, an feuchten Waldrändern.
Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl (0,5 bis 1 %), darin 1-Borneol, in geringer Menge frei, größtenteils (ca. 10% des Öls) als Isovaleriansäureester, in kleinerer Menge auch als Formiat, Acetat und Butyrat (zusammen ca. 20 % des Öls), 1-Limonen, Sesquiterpene, im hochsiedenden Anteil auch blaues Öl (Kessoglykol) sowie O-haltige (z.B. Terpineol) und weitere, noch umstrittene Bestandteile. Die Alkoloide Chatinin und Valerin und ein weiteres, alkohollösliches, noch unbenanntes Alkaloid aus frischer Wurzel. Zudem eine acyclische Estersäure, bei der Hydrolyse in Iso-valeriansäure und 1-oc-Oxyisovaleriansäure zerfallend. Weitere Inhaltstoffe: Glykosid Valerid (chemisch noch nicht aufgeklärt, sehr empfindlich und beim Trocknen der Wurzel verschwindend), ferner Gerbstoff, Harz, Gummi und Stärke, neuerdings das Diterpen Valerenal.
Eigenschaften: Erwärmend, ausgleichend, beruhigend.
Pharmakologie: Radix Valerianae hat eine bei Mensch und Tier erwiesene, zentrale, vor allem am Großhirn, teilweise (Infus) auch am Mittelhirn angreifende, beruhigende Wirkung. Große Dosen bewirken zentrale Lähmung, kleinere Gaben führen ohne vorausgehende Erregbarkeitssteigerung zur Herabsetzung der Reflexerregbarkeit und dämpfen insbesondere die psychomotorische Sphäre des Zentralnervensystems, wodurch Baldrian nicht nur ein echtes Sedativum ist, sondern bei den leichteren Formen von Agrypnie auf psychomotorischer Grundlage auch als Schlafmittel dienen kann, während Radix Valerianae bei der auf Übererregbarkeit im rezeptiven Teil des Zentralnervensystems beruhenden essentiellen Agrypnie ebenso wie bei der durch starke Schmerzen und Husten bedingten Schlaflosigkeit versagen muss und nicht angebracht ist.
Für den Hauptanteil des Ätherischen Öls an der Baldrianwirkung spricht vor allem auch die Tatsache, dass auch Präparate, die praktisch nur aus Ol. Valerianae bestehen, sedativ wirken.
VERGIFTUNGEN: Akute Vergiftungen durch die Pflanze sind nicht zu befürchten. Bei lange Zeit fortgesetzter Behandlung mit Baldrian (Rad. Valerianae) und anderen Baldrianpräparaten kann es zu folgenden unangenehmen Symptomen kommen: Kopfschmerzen, Unruhe, Schlaflosigkeit, Aufregungszuständen, Mydriasis und Störungen der Herztätigkeit.
Verwendung und Rezepturen:
Homöopathie: Die aus getrockneten Wurzeln bereitete Tinktur wird u. a. bei Hypochondrie, Aufregungszuständen, Unruhe und Schlaflosigkeit, ferner bei Magenkrämpfen und Koliken, bei sexueller Erregung und Pollakisurie angewendet.
Als Nebenwirkung bei zu langer und zu hochdosierter Anwendung hat man generell bei Baldrian Magen-Darm-Beschwerden und Kopfschmerzen gefunden. Zu rasches Absetzen nach nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch kann Entzugserscheinungen (Unruhe, Schlaflosigkeit) bis zum Entzugsdelirium auslösen. Missbrauch und Abhängigkeit im eigentlichen Sinne sind jedoch beim Gebrauch von Baldrian nur in absoluten Einzelfällen vorgekommen.
Ayurveda: Leicht, fettend, fließend, erwärmend, verdauungsanregend. Harmonisiert alle Doşās.
Tabernaemontanus: Alle Geschlechter der Baldrian haben eine Krafft unnd Natur zu erwärmen/ zu trucknen/ unnd auff zu lösen/ seynd warm unnd trucken im anderen Gradt/ unnd seyndt die wurtzeln deren Kreuter am kräfftigsten/ darunder hat das erst Geschlecht den Vorzug/ darnach der Bergbaldrian/ folgends der klein Baldrian/ darnach der grösseste unnd gemeine. Der Apulische Bergbaldrian mag dem ersten Geschlecht gleich gerechnet werden von wegen seines fürtrefflichen Geruchs. Der Steinbaldrian aber dem dritten Geschlecht/ Bergbaldrian genannt.
Innerlicher Gebrauch: Es werden alle Geschlechter dess Baldrians höchlich gepriesen/ das dunckel unnd halb verloren Gesicht wider zu bringen/ dieselbigen jnnerlich auff alle Weiss gebrauchet/ seye in Speiss oder Tranck/ oder aber in der Artzeney. Es schreibet der weitberühmbte HIERONYMUS BRUNSUICENSIS, wie dass ein Goldschmitt vor zeiten zu Würtzburg gewohnet/ der hat mit der gemeinen Baldrianwurtzel sein Gesicht dermassen geschärpffet/ dass er auff ein zweygebrochene Nadel einen Löwen mit allen kenntlichen Gliedtmassen/ hat stechen können/ der hab täglichen dess Pulvers dieser Wurtzeln ein wenig nüchtern genützet/ und darvon so ein scharpffes Gesicht bekommen/ welches mir Ursach geben solches nicht zu verachten/ hab auch nachmals diese Wurtzel in Augenkranckheiten allein und auch mit andern Artzeneyen gebrauchet/ darmit ich grosse Curen vollbracht/ und solche ding aussgerichtet/ darüber sich männigliche verwundern müssen/ wil allein ein Exempel hie anzeigen. Es war ein Nassawischer Keller zu Kirchheym Polandt/ mit Namen Henrich Krämer/ der hat sein Gesicht verlohren/ dem hatten zween Landtfahrer wöllen helffen und Rath thun/ darvor sie 30. Thaler zur belohnung entpfangen/ aber diese Gesellen hatten dem guten Mann nicht allein nit geholffen/ sondern auch dermassen verderbt dass er neben dem er gar blindt ware/ auch einen solchen unleidlichen schmertzren gemacht/ also dass er weder Tag oder Nacht Ruhe hatte mögen haben/ darneben auch gar kein Glast von dem Tag oder Liecht nit leiden können/ dass man jn derwegen in einem gar finsteren Gemach hat halten müssen/ und wann ein Glast oder Tagschein jhnen under Augen nur ein wenig berührte/ würde sein schmertzen dermassen geschärpfft dz man vermeinte er würde von Sinnen kommen. Als ich nun der zeit zu weylandt dem wolgebornen Graffen unnd Herren/ Herrer Adolphen Graffen zu Nassaw und Sarbrücken/ Herren zu Lhar/ (zc?) meinem gn Herrn/ deren bestellter MEDICUS ich von Hauss auss gewesen/ gen Kirchheym beruffen wurde/ jren Gn. in deren zu gestandenen Leibschwachheit zu rathen und zu dienen/ wurde ich daneben auch zu gemelten jrer Gn. Keller erfordert/ den ich nach allem gnugsamem Bericht seines Gebrechens/ auch in mei CURAM name/ und jhm sein Gesicht sampt Milterung dess grossen unleidlichen schmertzens/ durch Gottes dess Allmächtigen gnädige Hülff jnnerhalb xxx. Tagen widerumb restituirt/ dz er wiewol er ein 66. jähriger Mann/ widerumb biss in seinen natürlichen Tod hat lesen/ rechnen und schreiben können/ welche Cur ich dann allein den mehrentheil durch die Wurtzel dess gemeinen Baldrians und anderer Artzeneyen so ich darauss bereytet/ zu wegen bracht habe/ was ich sonst mehr zu manigmalen fruchtbarliches darmit aussgericht habe/ wil ich hie an zu deuten auff dissmal eynstellen/ habe allein andern zu gutem bericht/ dz gemeldte einige Exempel wöllen anzeigen. Die Wurtzel dess gemeinen Baldrians zu einem reinen Pulver gestossen/und je uber den andern Tag ein halbes quintlein mit einem Trüncklein Weins zertrieben und eyngenommen/ vertreibt alle Mängel die dz Gesicht hindern/ macht ein scharpffes Gesicht unnd erhaltet dasselbig biss zum Ende dieses zeitlichen Lebens. Gemeldte Pulver mag man auch mit Saltz/ oder sonst in der Kost heylsamlich zu Erhaltung dess Gesichts gebrauchen.
Baldrianwurtzel mit Fenchelsamen/ Aniss/ Süssholtz und kleinen Roseinlein/ in Wasser oder Wein/ nach eines jeden Gelegenheit gesotten/ darnach durchgesiegen/ den Tranck mit gescheumptem Honig oder Zucker süss gemacht/ und allen Morgen und Abendt/ jedesmal ein kleines Tischbecherlein voll darvon warm getruncken/ vertreibet den Husten/ das Keichen und Engbrüstigkeit/ und machet ausswerffen.
Wider das Keichen unnd schwerlich athmen/ mach folgenden bewehrten Tranck: Nimb Baldrianwurtzel IIIloth/ Süssholtz geschaben unnd klein geschnitten/ Alandtwurtzel/ jedes anderhalb loth/ Nesselwurtzel/ Florentinisch Veielwurtzel/ jedes Iloth/ frischer/ feister gewäschener Korbfeygen/ an der Zahl xiv./ Feigenträublein von den Kernen gereynigt iIIIloth/ Fenchelsamen/ Anissamen/ Rosshuffwurtzel/ jedes ein.loth/ Apostemenkraut/ dürren Ysop/ Andorn/ Frawenhaar/ Ehrenpreiss/ jedes ein halbe Handvoll/ Alle gemeldte Stück soll man klein schneiden/ darnach in ein bequeme Kannten thun/ unnd noch ferner darzu Penidzucker/ Canditzucker/ jedes IIIuntzen/ dann darüber schütten guten fürnen Wein/ frisch Brunnenwasser/ jedes (xlvIII) Untzen/ Den Ranfft der Kannten sollman wol verkleiben/ die Kannten darnach in ein Kessel mit Wasser setzen/ und fünff oder sechs Stunden mit stätem Fewer lassen sieden/ und wann die Materi darinnen von sich selbst ist kalt worden/ soll man sie darnach durch ein Tuch seyhen zum Gebrauch. Von diesem Tranck gib dem Krancken Morgens und Abends jedes mal vier Untzen zu trincken.
Wider dz Seitengeschwär PLEURIRIM, Nimb der Wurtzeln dess zamen Baldrians ein Handtvoll/ säuber unnd reinige sie wol/ zerschneide sie klein/ thue sie in ein bequemes Geschirr/ schütte darüber (1c?) untzen frisch Brunnenwasser/ lass sittiglich uber einem linden Fewerlein ohne Rauch den dritten Theil eynsieden/ darnach seyhe es durch ein Tuch/ thu darzu guten Jungfrawen Honig acht untzen/ lass es widerumb sieden unnd verscheum es wol/ darnach seyhe es noch einmal ab/ unnd gieb dem Krancken dess Morgens unnd Abendts/ dieses Trancks/ jedes mal vier Untzen warm zu trincken/ es ist eine gewisse Artzeney.
Baldrianwurtzel in Wein gesotten unnd Morgens unnd Abendts dess durchgesiegenen Weins/ jedesmal auff vier oder fünff Untzen warm getruncken/ vertreibet das Seitenweh/ zertheilet die Winde im Leib/ treibet den Harn/ dienet wider den Kaltseych oder Harnwinde/ und fürdert die verstandene Blumen der Weiber. Solches thut auch so man die Wurtzel zu einem subtielen Pulver stösset/ und auff einmal eines Quintleins schwer mit weissem Wein zertrieben warm trincket.
Baldrian obgemeldter massen in weissen Wein gesotten und darvon Morgens und Abends/ jedes mal vier untzen warm getruncken/ eröffnet die Verstopffung der Lebern und dess Miltzes/ vertreibet die Geelsucht/ reyniget die Harngäng/ Nieren und Blasen/ führet auss das Griess und den Stein/ das thut auch die Wurtzel zu Pulver gestossen/ und ein quintlein auff einmal mit warmem Wein getruncken/ dienet auch wider die Wassersucht/ gleicher gestallt gebraucht.
Baldrianwurtzel zu einem subtielen Pulver gestossen/ unnd ein zeitlang nacheinander allen Tag ein halbes oder gantzes Quintlein/ je nach Gelegenheit unnd Alter der Personen die es gebrauchet/ mit Milch unnd einem frischen Eyerdotter eyngenommen/ ist ein bewehrte Artzeney wider allerhand Brüch/ beyde an jungen unnd alten Leuten. Den jungen Kindern ist genug so man jhnen ein dritttheil eines quintleins auff einmal eyngibt.
Gepülvert Baldrianwurtzel eines Quintleins schwer mit einem Träncklein Weins zertrieben und warm getruncken/ dienet wieder die auffblehung dess Miltzes unnd verhaltenen Harn.
Theriackwurtzel klein geschnitten und gedörrt in Wein gesotten unnd getruncken/ hilfft wider den verhaltenen Harn und das tröpfflingen harnen.
Wider den Stein/ schmertzen unnd Gebrechen der Nieren: Nimb der Wurtzeln der zamen Baldrian/ Beerwurtzeln/ Haselwurtzel/ Marien Magdalenenblumen/ jedes ein Theil. Stosse diese stück zu einem subtielen Pulver/ schlags durch ein reynes härins Sieblein/ unnd gib darvon wann die Notthurfft erfordert eines Quintleins schwer/ mit Meth oser Honigwasser zertrieben.
Theriackskrautwurtzel gepülvert unnd gleicher Gestalt mit Wein warm getruncken/ dienet wider die Bissz unnd Stich aller unreinen vergifften Thier. Etliche bereyten nachvolgendes Pulver wider alles Gifft. Sie nemmen die Wurtzel dess zamen Baldrians/ Beronienkraut mit den Blumen/ wild Rautensamen/ jedes gleichviel/ stossen das zu einem subtilen Pulver/ unnd geben darvon ein Quintlein oder anderhalbes mit Wein zu trincken.
Wider die Pestillentz ein köstlich Pulver: Nimb die Wurtzel dess Theriackskrauts/ ausserlesenen Mastix/ jedes IIloth/ Armenischen BOLUS, versiegelt Erden/ Muschatenblüth/ weiss Bibernellenwurtzel/ Weisswurtzel/ Tormentillwurtzel/ der Welschen Pimpernellenwurtzel/ Alantwurtzel/ Teuffelsbisswurtzel/ Drachenwurtzel/ Meisterwurtzel/ weiss Diptamwurtzel/ jedes Iloth. Alle gemelte Wurtzeln soll man klein schneiden/ mit den andern stücken vermischen/ folgends zu einem reynen Pulver stossen/ surch ein härins Sieblein schlahen/ und darnach in einem lidernen Säcklein zum Gebrauch verwahren. Wann nun einen die Pestilentz angestossen hette/ der nemme von diesem Pulver eins quintleins schwer/ und so viel guten Theriack oder Methridat dazu/ gedistilliert Baldrianwasser v.loth/ Grassneglenessig Iloth. Solche Stück vermische durcheinander zu einem Schweisstrüncklein/ unnd schwitze darauff zum wenigsten IIIStunden/ das treibet alles schädliches Gifft beydes durch den Schweiss und Harn gewaltiglich auss.
Es mag einer auch zu einem PRAESERVATIVO auss dem Pulver jhme gute Küchlein mit Baldrian oder einem andern bequemen gedistillierten Wasser bereyten lassen/ unnd dess Morgens ein par darvon nüchtern essen.
Ein ander köstlich Pulver wider alles Gifft unnd die Pestillentz/ das macht man also: Nimm der Wurtzeln dess zamen Baldrians IIIloth/ Aronwurtzel anderhalb loth/ Wasserbathengel Iloth/ Armenischen BOLUS, der gerechten versiegelten Erden/ jedes IIIquintlein/ Bibernellenwurtzel/ Candischen Diptam/ jedes dritthalb quint. der öbersten Knöpfflein von Harthewkraut Iquint. Alle gemelte stück soll man vermischen und zu einem subtielen Pulver stossen/ darnach durch ein reynes härins Sieblein schlahen/ und zu dem Gebrauch wie dz vorgemelte Pulver bewahren/ unnd gebrauchen/ es seye zu Schweissträncklein/ Küchlein oder derengleichen Confecten/ nach einer jeden Gelegenheit.
Theriackkrautwurtzel/ oder die Wurtzeln der andern grossen und kleinen Baldrianen/ welche man jederzeit haben kan zu Pulver gestossen/ und ein quintleins schwer darvon mit Wein oder einem andern bequemen gedistillierten Wasser eyngenommen/ treibet den Schweiss gewaltiglich/ unnd führet damit alle böse Feuchtigkeit auss/ unnd ist sonderlich dienstlich eyngenommen wann man in das Bad wil gehen.
Äusserlicher Gebrauch: Es seynd alle Baldriankreuter heylsame Augenkreuter fast nützlich zu dem blöden Gesicht/ welches man auch von den Katzen warnemmen kan/ die jhre sonderliche Kurtzweil mit diesen Gewächsen haben/ sonderlich aber mit der gemeine Baldrian/ jhr Gesicht darmit zu stärcken und zu schärpffen.
Gemeiner Baldrian mit Kraut und Wurtzel zerschnitten/ und in weissem Wein gesotten/ machet helle und klare Augen dieselbigen darmit gewaschen/ und jederweilen ein Tröpfflein oder etliche darein gethan.
Wann die Augen das Licht nicht mögen leiden/ so nimb geläutert Baldriansafft IIloth/ Eppichsafft/ Bergwincksafft/ alle geleutert/ jedes Iloth. Vermische die durch einander/ netze leinine Tüchlein darinnen und lege die uber die Augen/ unnd so offt sie trucken werden/ so erfrisch sie wieder.
Wider die Flecken und Fell der Augen: Nimb Baldriankraut mit der Wurtzel IIHandvoll/ Wegwartenkraut mit den blumen/ Basilgenkraut/ Beerwinck/ Fenchelkraut/ Weinrauthen/ die brossam von einem Rockenbrodt/ jedes IHandvoll/ Zerschneide alle Kreuter klein mit den Wurtzeln und riebel die brodbrossam gar klein/ vermische diese stück alle durch einander unnd thue sie in ein bequemes küpfferins Geschirrlein/ schütte daruber ein guten alten weissen Wein dass er mit gemelten stück blösslich bedeck/ lasse also IIItage mit einander beytzen/ darnach distilliers mit sanfftem Fewer IN BALNEO MARIAE, und behalts zum Gebrauch. Von diesem Wasser thue einem täglichs viermal/ jedesmal ein Tröpfflein oder III in die schadthafften Augen biss so lang dass sie gar verzehret seynd.
Baldrian mit der Wurtzel also frisch zerstossen und wie ein Pflaster auffgelegt/ stillet das Hauptwehethumb/ und leget die schmertzlichen Schüss derselben.
Wider die roten/ blutigen Augen die mit Blut underlauffen seynd: Nimb Baldriansafft/ Hausswurtzsafft/ Eppichsafft/ Wegrichsafft/ jedes IIloth/ Vermische darunter die brossam von einem Weitzenbrod das nicht gesaltzen ist/ und temperiers zu einem Pflaster das nit zu hart seye/ lege es darnach zwischen zweyen leininen Tüchlein uber Nacht uber die Augen/ es hilfft/ vertreibet unnd zertheilet die Röte und das Blut/ und ist ein Experiment.
Frisch Theriackkraut oder aber Baldrianwurtzel klein geschnitten oder gestossen in ein Glass gethan/ und ein Chamillenölen darüber gegossen/ darnach ein Woch oder drey in die Sonn gesetzet/ folgends abgesotten uber einer Glut biss alle Safftigkeit verzehret ist/ durch ein Tuch hart aussgedruckt und gesiegen/ ist solches Oele ein edel Artzeney zu den schwachen unnd erlahmeten Gliedern/ die von langwieriger Leibschwachheit unnd Kranckheit geschwecht worden seynd/ so man dieselbigen allen Tag dess Morgens und Abends damit salbet.
Baldriankraut mit der Wurtzeln zerschnitten und in Wasser gesotten/ darnach den warmen Dampff darvon durch ein Trachter dess Morgens und Abendts in die Mutter empfangen/ fürdert die verstandene Monatblumen. Das thut auch so man auss gemeldtem Kraut ein Lendenbad machet. Die erkalten Weiber so unfruchtbar sind sollen solche Lendenbäder von dem Baldriankraut und wurtzel gebrauchen/ die Geburt glieder damit zu reynigen und zu erwärmen.
Baldriankraut uber Jahr zu den Schweissbädern gebrauchet/ treibet nicht allein den Schweiss gewaltig/ sondern führet auch darmit alle böse kalte Feuchtigkeit auss.
Baldriankraut mit der Wurtzeln zerschnitten und gestossen/ darnach mit ein wenig Weins gesotten zuvor in ein Säcklein gethan/ folgendts mit zweyen Tellern aussgeprest/ unnd so warm man es leyden kan uber die Scham geleget/ treibet nicht allein den verhaltenen Harn auss/ sondern führet auch den blasenstein auss.
An die baldrianwurtzel gerochen/ trucknetdz flüssig Häupt/ unnd ist nütz den bösen/ vergifften Pestillenzischen Lufft zu verändern unnd demselbigen widerstandt zu thun/ derowegen etliche in Sterbensläuffen diese wurtzel in Essig beytzen/ unnd in hültzenen büchsslein bey sich tragen/ daran ohn Underlass zu riechen.
Man pflegt auch die Wurtzeln im Frühling zu graben/ darnach auff zu trücknen/ und in die Truhen und Kleyderschenck/ zwischen die Kleyder zu legen/ die theylen den Kleydern einen guten Geruch mit/ unnd bewahren sie vor den Würmen unnd Motten.
Etliche hencken die Baldrianwurtzel also frisch an den Halss wider das tägliche Feber/ lassen also am Halss verdorren.
Wider die Pestillentzbeulen macht man ein nützlich Pflaster wie folget: Man nimpt der frischen Baldrianwurtzel xIIloth/ Attichwurtzel sechs loth/ Liebstöckelkraut unnd Wurtzel/ jedes zwey loth. Solche stück schneidet man auffs aller kleinest/ stössets darnach in einem Mörsel zu Muss/ folgendts tht mans in ein Pfann/ schüttet gedistilliert Majeranwasser darüber so viel von nöthen ist/ unnd noch ferner acht loth Chamillenölen/ solches seudet man zu einem Pflaster/ streichet darvon auff ein Tuch/ und legts warm uber/ dz zeucht alles böses Gifft herauss/ man muss aber dess Tages einmal oder drey erfrischen/ auch dess Nachts so offt es trucken und hart wirdtEtliche nemmen zu den gemeldten Beulen Baldrianwurtzeln/ Liebstöckelkraut unnd Wurtzeln/ jedes gleich viel/ thun dazu ein par gebratener Lilgen Zwibeln/ schneidens unnd stossens klein/ siedens darnach in einer starcken Laugen/ biss es wirdt wie ein Brey/ und machen mit genugsamem Schweinenschmaltz ein Pflaster daraus/ das legen sie warm uber wie das obgemeldte.
Baldriankraut mit der Wurtzel klein geschnitten/ darnach gestossen/ und wie ein Pflaster uber die Pestillentzblater oder den Carbunckel gelegt/ tödtet und heylet dieselbig mit Aussziehung dess Giffts.
Leinine Meyssel in Baldriansafft genetzet/ unnd in offene Schäden unnd Wunden/ es seyen Stich oder Schüss/ darinn die Pfeil unnd andere Geschoss noch stecken blieben/ gestossen/ darnach gestossenen Baldriankraut wie ein Pflaster darüber geleget/ zeucht die Pfeil oder alle andere Geschoss und heylet auch den Schaden.
Alle frische/ gehauwene/ geschossene oder gestochene Wunden zu heylen: Nimb Baldriankraut das grün und frisch ist zwantzig Untzen/ grün und frisch Sanickelkraut zwölff untzen/ frisch Schweinenschmaltz/ Hirtzenunschlit/ jedes sechzehn Untzen. Zerschneidt und stosse die Kreuter klein/ thue sie darnach in ein Pflasterpfann/ unnd das Schweinenschmaltz und Hirtzenunschlit darzu/ setze die Pfann uber ein lindes Kolfewerlein/ lasse die gemeldte stück sittiglich sieden/ unnd rühr die stättig mit einer hültzenen Spatteln/ dass sie nicht anbrennen/ wann nun alle Safftigkeit auss den Kreutern verzehret ist/ so drucks durch ein Tuch in ein ander Pfann/ thue ferner darzu zwölff loth Wachs/ Terpentin und Kübelhartz/ jedes acht loth/ zerlass sittiglich unnd rührs biss es kalt wirdt. Mit dieser Salben oder Wundtpflaster kanst du in kurtzer Zeit alle obgemeldten Wunden heylen.
Die erfrorne Schäden von der Winterkält zu heylen: Nimm Baldriankraut mit der Wurtzeln zwey Theil/ breyten Wegrichkraut sampt der Wurtzeln ein Theil. Seud diese Stück in genugsamem Wasser sehr wol auff den dritten theil eyn/ in diesem Wasser bade den Schaden allen Tage zweymal auff ein Stundt oder anderhalb jedesmal/ unnd säe darnach gepülverten Weinstein darein.
Baldriankraut unnd Wurtzel in Wein gesotten unnd die faulen Wunden unnd Schäden darinn Würm gewachsen seyn/ an Vie und Menschen darmit gewäschen/ säubert dieselbigen unnd fürdert sie zur Heylung: heylet auch die Feygwartzen so man sie dess Tages etliche mal darmit abwäschet.
Baldrianwurtzel zu Pulver gestosse/ darzu genommen weiss Niesswurtzpulver unnd mit Semelmeel ein Ass daraus gemacht/ tödtet Ratten und Mäuss.
Wann ein Rossz dunckele/ feysste unnd Wasserechtige Augen hat/ so henck jhme Baldrianwurtzel an/ unnd gib jhme die Wurtzel klein geschnitten im Futter zu essen.
Baldrianwasser: Die beste Zeit das Baldrianwasser zu distillieren ist im Ende dess Meyens/ die Wurtzel/ Kraut unnd stengel mit einander klein gehackt/ und in BALNEO MARIAE durch die Destillation abgezogen. Darnach nimbt man zu jeder massen dess gemeldten Wassers iIIIUntzen/ der auffgetruckneten Baldrianwurtzeln zu einem groblechtigen Pulver gestossen/ vermischt diese mit dem Wasser unnd lassets xxiv. stunden in einem warmen BALNEO, wie nun zum offtermal gelehret worden ist/ beytzen/ darnach zeucht mans widerumb mit sanfftem Fewer ab/ unnd lassets ein zeitlang in der Sonnen rectificieren.
Innerlicher Gebrauch: Baldrianwasser erwärmet die erkalte Brust/ benimbt den Husten unnd schwerlich athmen/ dessgleichen erwärmet es alle jnnerliche erkalte Glieder/ eröffnet derselbigen Verstopffung/ treibet den Harn unnd die Monatblumen der Weiber/ stillet jnnerlichen schmertzen dess Rücks/ der Lenden unnd das Seiten stechen/ treibet auss den Nieren oder reissenden Stein/ unnd reyniget die Nieren/ Harngäng und Blasen von dem zähen Schleym/ darvon der Stein zu wachsen pfleget/ und führet denselbigen durch den Harn auss/ es heylet auch alles das so jnnerlich im Leib zerbrochen ist/ unnd ist ein heylsam gute Artzeney denen so gebrochen seyndt/ allen Morgen unnd Abendt/ jedesmal Iloth oder v. getruncken/ und auch den Wein darmit gemischet.
Wann auch einer ein Arm oder Bein gebrochen hette/ der trincke dieses Wassers allen morgen unnd abendt jedesmal v. oder vi.loth/ es thut treffentliche Hülff zu der Heylung. Jtem so einer sonst verwundet were/ so heylet es die Wundt vom grundt herauss/ gleicher gestalt getruncken.
Baldrianwasser dess Morgens nüchtern III oder iIIIloth getruncken/ bewahret denselben Tag vor der gifftigen Contagion dess bösen pestilentzischen Luffts.
So einer etwas gifftiges gessen oder getruncken/ oder sonst böse schädliche Materi bey sich im Leib hette/ der trincke iIII oder v.loth Baldrianwassers mit einem quintlein gutes Theriacks vermischet/ und schwitze wol darauff/ so treibet es allen gifftigen und schädlichen Unrath durch den Schweiss hinweg.
Baldrianwasser täglichen mit Wein vermischet getruncken/ erkläret unnd schärpffet das dunckel finster und blöde Gesicht wunderbarlich/ unnd verhütet vor Augen Kranckheiten/ dann es ein Principal Artzeney ist wider alle Gebrechen der Augen.
Baldrianwasser täglichen vi.loth getruncken/ ist ein gute Artzney wider das quotidian Fieber/ so mans vor der Ankunfft dess Fiebers eynnimpt/ und sich darauff niderlegt.
Wider das viertäglich Fieber: Nimb Baldrianwasser vIIIloth/ guten unverfälschten Theriack oder Methridat Iquintlein. Vermische diese Stück unnd trincks ein Tag oder etlich warm allwegen vor der Ankunfft dess Fiebers/ so wird das Fieber nachlassen.
Baldrianwasser ist den jungen Kindern die sonst keine Artzeney gebrauchen können ein köstliche Artzeney/ die Spülwürm zu tödten und ausszutreiben/ so man jnen jederweilen ein Löffelein voll zu trincken gibt.
Äusserlicher Gebrauch: So einer nach dem Bad hitzige Augen hette von der Hitze dess Bads und Rauchs verursacht/ oder aber die Augen bey dem Fewr oder sonst in einem rauchigen Gemach verderbet hette/ der wäsche die Augen mit Baldrianwasser/ und netze leinine Tüchlein darinn/ und lege die uber die Augen/ es hilfft jhm baldt und stärcket das Gesicht.
Es dienet auch zu allen Gebrechen der Augen von Kält verursachet/ dieselbigen von aller Feuchtigkeit unnd Flüssen zu trücknen/ dess Tages jederweilen in ein jedes Aug ein Tröpfflein oder zwey gethan.
Baldrianextrakt: Auss dem Baldrian macht man einen herrlichen Extract/ darzu colligirt man das Kraut/ Wurtzel und Stengel im Meyen/ lässet das dürr werden/ zeucht darauss ein Extract aller dings wie wir hiebevor bey dem Wermuth Anleytung geben haben. Dieser Extract ist ein fürbindige Artzeney/ vor allen andern Artzeneyen das verlohren Gesicht wider zu bringen/ das dunckel und verfinster Gesicht zu stärcken und zu schärpffen: Jn Summa es dienet dieser Extract zu allen Kranckheiten der Augen von Kälte verursacht. Darvon gibt man ein drittheil eines Quintleins auff einmal eyn mit einem Löffel voll Baldrian oder andern bequemen gedistillierten Wasser zu trincken. Man kan in Augen Kranckheiten grosse Ding mit diesem Extract aussrichten/ nicht allein vor sich selbst gebrauchet/ sondern auch mit andern bequemen Artzeneyen vermischet/ je nach Gelegenheit dess Gebrechens/ wie dann solches erfahrnen MEDICI PRACTICI wol zu thun wissen.
Baldriansalz: Auss dem gedörrten Baldrian mit Wurtzel/ Kraut unnd Stengel colligirt und zu Eschen gebrannt/ bereytet man auch ein uberauss köstlich Saltz/ das zeucht man künstlich auss wie das Wermuthsaltz/ welches dienet zu allen obgemeldten Gebrechen der Augen/ wie wir von dem Extract gemeldet haben/ darvon man ein Gran oder fünff auff einmal mit einem bequemen Wasser oder Safft. Es dienet auch wider die Pestillentz und alles eyngenommen Gifft. Was ich mit diesem Saltz und andern Artzeneyen auss dem Baldrian aussgerichtet hab/ habe ich zum Theil hiebevor von dem jnnerlichen Gebrauch dess Baldrians angezeiget/ wirdt sich derwegen ein jeder Verständiger der weiter zu wissen begehret/ wol wissen in der Practick darnach zu richten.
Fuchsius: Baldrion wurtzel gesotten und getruncken / treibt den harn. Gleiche krafft hat auch das pulver derselben in wein getruncken. Sie stillt den weetagen der seiten. Bringt den frawen jhre zeit. Sie würt under die artzneyen vermischt so man für gifft braucht / darumb ist sie zu der zeit der Pestilentz seer gut / darvon getruncken. Jtem Baldrion wurtzel in wein oder wasser gesotten und in die augen getropfft / macht ein klar gesicht. Sie ist auch treffenlich gut zu den wunden und schäden / dann sie heylet dieselbigen.
Dioskurides: Das Phu – Einige nennen auch dieses wilde Narde – wächst in Pontus und hat Blätter ähnlich denen der wilden Pastinake oder des Pferdseppich, einen ellenlangen oder höheren Stengel, glatt, weich, etwas purpurfarbig, innen hohl und durch Gelenke etwas abgetheilt. Die Blüthe kommt auf die der Narde hinaus, ist aber grösser und zarter und vom weissen Grunde aus purpurartig gefärbt. Die Wurzel hat am oberen Theile die Dicke des kleinen Fingers, sie hat aber daran querlaufende Würzelchen wie etwa die Binse oder die schwarze Nieswurz, unter einander verflochten, gelblich, wohlriechend, an Duft der Narde ähnelnd, aber mit einer gewissen stinkenden Strenge. Trocken genommen hat es die Kraft, zu erwärmen und den Urin zu treiben; auch seine Abkochung leistet dasselbe und wirkt gegen Seitenschmerz. Es befördert die Katamenien und wird den Gegengiften zugemischt. Es wird verfälscht durch Beimengung der Wurzeln der Stachelmyrte; ihre Erkennung ist aber leicht, denn sie sind härter und schwerer zu zerbrechen und ohne Wohlgeruch.
Dinand:
Bilbliografie:
Prof. Dr. Karl Hiller, Prof. Dr. M. F. Melzig, Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen, 1999
Tabernaemontanus, ( Jakob Dietrich, Jacob Ditter/Diether bzw. Jacob Theodor), Neuw Kreuterbuch, 1588-91
August Paul Dinand,Handbuch der Heilpflanzenkunde, 1921
Pedainos Dioskurides, Materia Medica, 1. Jahrh.
Gessner-Orzechowski, Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa, 1974
Heilpflanzen-Lexikon für Ärzte und Apotheker, Dr. Hans Braun, 1968
Leonhardus Fuchsius, “New Kreuterbuch, in welchem nit allein die gantz histori, das ist namen, gestalt, statt und zeit der wachsung, natur, krafft und würckung…” von 1543.
“Köhlers Medizinal-Pflanzen” von 1883 bis 1887.
Dr. Friedrich Losch, Kräuterbuch, 1903
Stauffer: Klinische Homöopathie, Arzneimittellehre