Artemisia Vulgaris
syn. Artemisia lactifloru, Artemisia samamisica, Artemisia nilagirica (Clarke) Pamp.
Familie: Korbblütengewächs, Asteraceae (Compositae).
Deutsch: Gemeiner Beifuß, Gewöhnlicher Beifuß, Gewürz- Beifuß, Jungfernkraut, wilder Wermut, Bisaut, Besenkraut, Weiberkraut, Stabkraut, Himmelsuhr, Buckel, Bück, Himmelskuh, Johanniskraut, Mugwurz, Weibergürtelkraut, Fliegenkraut, Gänsekraut, Johannishaupt.
Englisch: Bulwand wormwood, midge-wormwood, mugwort, motherwort, felon herb, fellow herb, sage [in Nordamerika bei den Indianern wird darunter nicht der englische Salbei verstanden, sondern verschiedene Arten von Artemisia]sailors tobacco, St. John´s plant, wegwood, witch herb
Französisch : Armoise, barbotine, herbe a cent gouts, herbe Saint-Jean, Couronne de San Jean, tabac de Saint Pierre
Sanskrit: Barha, Barhikusum, Barhipushpa, Brahmajata, Damanaka, Damana, Gandhotkata, Granthika, Granthiparna(ka), Granthiparni, Guchhaka, Gutthaka, Kakapushpa, Kukura, Nagadamani, Nilapushpa, Puspacamara, Saraparni, Shirnakhya, Shuka, Shukabarha, Shukachhada, Shukapuccha, Sthauņēya, Sugandha, Svaramaguchhaka, Tailaparnaka, Tapodhana, Vanyadamanaka.
Bengali: Nagdona, Nagdamani
Garo: Khel bijak.
Kannada: Davana, Manjipatri
Hindi: Buer, Charmar (Khardar), Drubsha, Dona, Gathivana, Majtari, Mastaru, Magadouna, Mugduna, Seski.
Malayalam: Appa, Damanakam, Kattuchatti, Kattucetti, Kattuchettippu, Makkippu, Mashipatri, Nilampala, Macipatri, Rirunittipacha, Tirunirripacca, Tirunitripaccha, Tirunittipacca.
Marathi: Dhordhavana, Gathona, Surband.
Nepali: Titpati.
Persisch: Baranjasif, Boo-e-madran, Marzangosh.
Arabisch: Shaweela, Marzanjosh
Tibetisch: Dha ma na ga,
Chinesisch: Ngai-yé, Ai-yeh.
Blütezeit: Juli bis September, je nach Lage.
Erntezeit: Blüten und Blätter Juli bis September, Wurzeln im Herbst bis November.
Vorkommen: Türkei, Kaukasus, Iran, Indien (Hügel und in den Bergen bis auf 2500 Meter), West- und Ostsibirien, Zentralasien, ganz Europa, Algerien, Tunesien, Alaska, Kanada, USA: Nordosten bis Nordostzentral, Südosten, Nordzentral sowie Mexiko.
Beschreibung: Blüten in kleinen Körbchen, die zu mehreren hundert kurz gestielt, aufrecht oder leicht nickend, in einem zusammengesetzt-rispigen Blütenstand am Ende des Stängels und seiner Äste angeordnet sind. Die Hüllblätter sind kurz weißfilzig, oft bräunlich oder rötlich überlaufen. Körbchen 3-4,5 mm lang, 2-3 mm dick; keine zungenförmigen Randblüten vorhanden. Alle Blüten röhrenförmig, äußerste weiblich, innere zwittrig, gelblich oder rötlich-braun; Achänen um 1,5 mm lang; kein Haarkranz. Stängel aufgebogen-aufrecht, derb und starr, aber nicht verholzt und im Winter überdauernd, oft rot überlaufen, leicht gerillt, kantig, unten kahl, oben schütter kurzhaarig. Grundblätter vorhanden; Stängelblätter wechselständig, oberseitig grün und kahl, unterseitig grauweiß-filzig behaart, flach fiederteilig; Fiedern lanzettlich bis eiförmig, grob und ziemlich scharf gezähnt oder fast fiederteilig, Zipfel zum Teil nochmals gezähnt, unterste Blätter meist gestielt (Stiel bis zu 10 cm lang), mittlere und obere undeutlich gestielt oder sitzend und dann mit Zipfeln den Stängel leicht umfassend. Riecht aromatisch. Windblütig. Blütezeit: Juli-September. Größe: 0,8 -1,5 m.
Verarbeitung: Die blühenden Stängelspitzen werden geschnitten, die Blätter abgestreift und im Schatten getrocknet. Von der Wurzel sammelt man die feinen, jungen Wurzeln, die eine etwas hellere Farbe als die alten haben. Diese werden auf Papier oder Gitter im Schatten oder unter dem Dach getrocknet. Sie werden staubtrocken aufbewahrt und erst vor der Verwendung pulverisiert.
Etymologie: Dieser antik relativ spät erscheinende Name (erst ab 1. Jh. n. Chr.) ist offenbar wie der jetzige Gattungsname eine Sammelbezeichnung für eine Reihe von Arten der Gattung Artemisia, die wegen ihrer Inhaltsstoffe weniger als Gewürz- denn als Heilpflanzen, besonders in Bezug auf Frauenleiden, angesehen und daher zum Namen der Artemis Eileithyia gestellt wurden, die in ihrem ältesten Kult als Frauen- und Heilgöttin erscheint (Kl. Pauly 1,618-25); vgl. Strömberg 100, Frisk 1,153 f. (der auch Anlehnung an gr. artemia <Gesundheit>, artemes <frisch, gesund> erwägt); die Zuordnung zu Artemisia, Gattin und Schwester des Carischen Königs Maussolos, die oft gleichgesetzt wird mit Ilithia, der Göttin der Geburt, bei Plinius ist nicht nachvollziehbar. Nach Garns 1,625 meinten die Griechen damit 4 Arten: 1) die Eberraute und den Beifuss: gr. abrötonon, habrötanon, habrötonon (A. abrotanum, pontica, vulgaris), 2) den Wermut: gr. apsinthion (A. absinthium), 3) den Meer-Wermut: gr. seriphion (Diosk.) = apsinthion thalässion (Theophr.) (A. maritima, santonica), während die 4. Art, die Garns anführt, nämlich der Estragon, aufgrund seines Herkunftsgebiets antik doch unbekannt gewesen ist. – Vgl. auch Armerial. Die Schriftsteller der alten Griechen und Römer sprechen auch von einer Artemisia als einem gynäkologischen Mittel.
Der Name Beifuss ist nach Grimm aus dem althochdeutschen Wort bózan = schlagen entstanden, weil das Graut als Gewürz geschlagen, geworfen in die Speisen kam.
Habitat: Braucht stickstoffsalzreichen Lehm- oder Tonboden. Besiedelt Ödland, Wege und Ufer. Sehr häufig. Steigt in den Alpen örtlich über 1500 m. Dinand schreibt: „Die aus Samen gezogenen jungen Pflanzen setzt man zweckmäßig in ½ Abstand an Mauern. Man kann sie durch die Teilung vermehren. Der Beifuß stellt keine Ansprüche an den Boden und kommt selbst in den schlechtesten fort.“
Inhaltsstoffe: In allen Organen, besonders in dem auch als Küchengewürz kultivierten, getrocknet einmal als Herba Artemisiae offizinell gewesenen Kraut enthält ätherisches Öl (0,03-0,2 %, das u. a. Cineol (syn: Eucalyptol), Terpinen-4-ol, ( + )- und (-)-Borneol, Thuion, ß-Virum und Myrcen enthält) mit sehr wenig Thujon und einen Bitterstoff. Ferner Sesquiterpenlactone vom Eudesmantyp, u. a. Psilostachin, lipophile Flavonolderivate wie 5,X-Dihydroxy-3,7,4′-trimethoxyflavon sowie 7,8-Mcthylendioxy-9-mcthoxycumarin. Sowie > 9% Inulin (s. Inula), Gerbstoff und Harz, ferner Fernenol, ein Triterpen vom Lupantyp.
Pharmakologie: Der Beifuß weicht pharmakologisch durch den Gehalt seines Ätherischen Öls an Cineol und durch den geringeren Bitterstoffgehalt erheblich von Artemisia absinthium ab, vor allem ist das Beifussöl wegen des nur unbedeutenden Gehaltes an Thujon wesentlich weniger giftig als Ol. Absinth. Cineol wirkt am Tier (Ratte) zuerst zentral erregend (Beschleunigung und Vertiefung der Atmung, klonische Krämpfe), später lähmend (Tod durch Atemstillstand). Der Atemschädigung parallel zunehmende Blutdrucksenkung, Bradycardie und Rhythmusstörungen des Herzens; nach Eintreten des Cheyne-Stokes’schen Atemtypus im weiteren Verlauf der Cineolwirkung schlägt die Bradycardie in Tachycardie um. Auffallend war die bis zum Tode vorhandene Steigerung der Reflexerregbarkeit. Durch das Cineol kommt dem Beifuß auch anthelminthische Wirkung zu, außerdem ist neuerdings choleretische Wirkung des Beifußes festgestellt worden. In der allopathischen Medizin wird die Pflanze nicht mehr verwendet, in der Homöopathie wird die aus frischer Wurzel bereitete Essenz (D3—D2) u. a. bei Chorea minor, Epilepsie, „Hysterie” sowie als Anthelminthikum angewendet. Im Volke wird der Beifuss außerdem als Spasmolyticum, Emmenagogum und Abortivum gebraucht. Beifuss regt nachweislich die Gallensekretion an.
Tabernaemontanus schreibt: „Sonst haben die Alten dem Beyfuss mehr zugeben/ dass er Krafft haben soll/ alle Gespenst unnd Zauberey zu vertreiben/ und dass denjenigen so Beyfuss bey sich tragen/ kein Zauberey oder auch der Teuffel selbst einigen Schaden zufügen möge. Item dass er den Donner abwenden soll/ unnd der gleichen viel andere Heydnische Aberglauben. Christen aber wissen das wol dass ein ander Artzeney seyn muss/ die den Teuffel und sein Gespenst vertreiben soll/ dann er nach einem solchen strohenen Harnisch nicht viel fraget.“ Nach dem Volksglauben findet man am Johannistag (21. Juni, Sommersonnwende) geheimnisvolle Kohlen, auch Thorellensteine oder Narrenkohlen genannt, die, um den Hals getragen, das Fieber und die fallende Sucht vertreiben sollen. Soviel man sich auch den Kopf zerbrochen hat, woher diese kleinen Kohlen wohl kommen mögen, es hat sich keine Erklärung gefunden. Sogar der gelehrte Doktor Brunfels erzählt davon: „Die magi graben disse wurzel uff S. Johannes abent; so die sonn unergadt, so finden sye darbey schwarz körnlin an der wurzel hangen. Und das dem also, hab ich selb gesehen, ist ein sonderlich geheymnuß, was damit gehandlet würt.“ Beifuß, Mugworth, ist eine der neun heiligen Pflanzen aus dem Lacnunga, einem Text der angelsächsischen Kräuterheilkunde. Hier ein Zaubersegen aus diesem Buch:
Erinnre dich, Beifuß, was du verkündest,
Was du anordnetest in feierlicher Kundgebung.
Uns heißest du, das älteste aller Kräuter,
Du hättest Macht gegen drei und dreißig,
hättest Macht gegen Gift und Ansteckung,
und Macht gegen das Übel, das über das Land dahinfährt.
Im alten England hängte man an den Türsturz ein Bündel des Krauts, um das Böse fernzuhalten und um das Haus vor Blitzschlag zu schützen.
Der Beifuß ist eine uralte Zauberpflanze; schon Plinius berichtet, dass der Wanderer, der das Kraut an die Füße gebunden habe, nicht müde werde; auch schütze es den, der es bei sich trüge, vor allerlei Giften und wilden Tieren.
Dem Teufel war er ein Dorn im Auge; er machte einen weiten Bogen um das Haus, an das man Beifußwurzeln genagelt hatte. Ja, selbst behexte Milch und verschriene Eier wurden entzaubert, sobald man sie nur mit einem Beifußstängel berührt hatte.
Volkstümlich wurde das Kraut am Fest der Sommersonnenwende als „Sonnwendgürtel“ beim Tanz um das Johannisfeuer getragen. Danach warf man den Kranz in die Glut in dem Glauben, dass die Kraft der Flammen auch Krankheit und Unheil des kommenden Jahres tilgen würde.
Rezepte und Anwendungen, innerlich:
Dinand schreibt: „Der Tee von Blättern und Blüten (4 bis 8 Gramm auf eine Tasse, in Wasser oder Wein gekocht) wird gebraucht bei allgemeiner Schwäche, Schwäche der Verdauungsorgane, und chronischem Durchfall. Bei Geschlechtskrankheiten, Hämorrhoiden, Veitstanz, Nervenkrankheiten, besonders Nervenschmerzen, Hysterie und Kinderkrämpfen (20 Gramm Kraut auf einen Liter Esslöffelweise über Tags genommen oder das Wurzelpulver (2 bis 4 Gramm) in warmem Bier oder Wein). Gegen Stein- und Blasenkrankheit nimmt man 2stündlich einen Esslöffel voll Tee.
Madaus empfiehlt bei Epilepsie einen Aufguss mit 3 Teelöffel Kraut auf 1½ Gläser heißen Wassers.
Tabernaemontanus schreibt: „Die Beyfusskreuter/ Nemlich der Rot und Weiss/ dessgleichen auch der klein oder Welsch Beyfuss/ unnd die Meterkreuter/ haben eine Krafft zu erwärmen unnd zu trücknen/ machen dünn/ und tringen durch/ und zertheilen/ seynd warm im dritten/ und trucken im zweyten Grad. Man braucht dieses Kraut und seine Wurtzel/ grün und dürr: Und sollen diese Kräuter von den Weibern billich in Ehren und hohen Würden gehalten werden/ als nützliche Kräuter zu den Mutterkranckheiten/ beyde jnnerlich und eusserlich zu brauchen/ und seynd sonderlich dienlich/ Dämpff und Bäder darauss zu machen.“
und weiter: „(…) Beyfuss in Wein gesotten/ und davon morgens und abends ein Mackel Becherlein voll warm getruncken/ eröffnet die verschlossene Mutter/ führt auss die verstandene Blumen/ erwärmet die Geburtsglieder/ treibet auss die Afftergeburt oder das Bälglein/ sampt allem verhaltenem unrath der Mutter/ treibet auch fort die tode Geburt. Zu diesem Tranck mögen die reichen Weiber Muschatblüht thun/ wenig oder viel/ nach einer jeden gefallen und gelegenheit. Die abgestreifften Blümlein vom Beyfuss durch ein Sieblein geschlagen/ unnd von diesem Pulver ein halb Loth biss in iii.quintlein mit Wein warm getruncken/ thut dergleichen.“
und weiter: „(…) Wann ein Weibspersohn jhre Zeit oder Monatblum nicht recht hat/ die nemme ein Handvoll Beyfuss/ lass den in einer halben Elsasser Mass Weins den drittentheil einsieden/ unnd trincke davon abends und morgens/ jedes mal ein guten Becher voll warm/ und behartz das zween Tag/ es hilfft sehr wol. Ein anders: Sie nemme ein handvoll Beyfuss/ und seud den in zwey Pfund oder in einer Elsasser halben Mass Weins zum halben theil ein/ seihe es durch/ theils ab in drey gleiche theil/ unnd trincke das ein theil an dem tag wann sich die zeit erzeigt/ das ander den nechsten morgen nüchtern/ und das dritte an der Nacht/ so warm als sie es erleiden kann/ das bringt die Monatblum wider zu recht.Wann ein Frau schwanger wird/ die geniss täglich ein wenig Beyfusssamen von dem Rohten/ es seye in der Kost oder wie sie kann/ so wirdt das Kindt starck bey jhr/ unnd wirdt Tugendthafft.
und weiter: „(…)Die unfruchtbaren Weiber sollen jhn den Beyfuss in jhren Speisen täglich zu gebrauchen lassen befohlen seyn/ dann er die Natur unnd Krafft hat die Mutter zu stercken/ unnd sie zu der Empfängnuss zu bereiten.
und weiter: „(…)Beyfuss in firnem weissen Wein oder altem Bier gesotten/ unnd die gesottene Brühe mit Honig oder Zucker süss gemacht unnd Abendts unnd Morgens dieses Trancks jedesmal einen guten Becher voll warm getruncken/ reiniget die Lunge vom tähen Schleim/ miltert den Husten/ heylet die Wunden/ Geschwer unnd alle Versehrung der Brust. Oder nimm das Kraut frisch/ wäsche es sauber/ stoss in einem steinen Mörser/ trucke den Safft auss/ thu darzu gleich so viel weissen Wein/ mache es süss mit Honig oder Zucker nach deinem Gefallen/ darvon brauch Morgens unnd Abends jedesmal drey Stunden vor den beyden Mahlzeiten/ drey oder vier Löffel voll/ treibt auss den Stein/ säubert die Nieren und Blasen/ unnd fürdert den Harn.
und weiter: „(…)So ein Mensch mit einer Büchsenkugel geschossen wirdt: So nimb frischen Beyfuss/ stoss den wol mit Wein/ trucke den Safft herauss/ darvon gib dem verwunden zum Tag zweymal/ jedesmal ein paar Löffel voll/ oder auff die iii.Loth zu trincken/ unnd geuss auch ein wenig in die Wunden/ es vertreibt dess Pulvers schmertzliche enzündung/ und nimpt hinweg alle vergifftung desselben/ und ist solches ein sehr gewisse Pulverleschung. So man aber das Kraut nicht grün haben kann/ sol man das Kraut in halb Wein und Wasser sieden/ dem Verwunden dess Tags zweymal/ das ist/ des abendts und dess morgens jedesmal auff fünff Loth zu trincken geben/ und so man den Krancken verbindet/ die Wunde auch darmit ausswäschen/ es ist offtmals probieret. Mit solcher Artzeney habe ich in der Belägerung der Reichs Statt Mez/ viel unnd grossen Danck verdienet/ wie auch in andern mehr Heerzügen/ sintemal diese Artzeney nimmer fehlet.“
Hildegard von Bingen schreibt in „Physica“: „(…) Beifuß ist seiner Natur nach warm und sein Saft ist sehr nützlich. Wenn er gekocht und als Spinat gegessen wird, heilt er die kranken Eingeweide und wärmt den kranken Magen.“
Seit jeher dienten die getrockneten Blüten wie heute nicht allein als Medizinalkraut, sondern „waren nützlich, Gans, Hühner und andre Gevögel und Fleischspeisen damit zu füllen, welches wir den Köchen, die solches am besten wissen, befohlen haben wollen.“
Beifuss galt auch in England als ein Mittel gegen die Schwindsucht. So war in Galloway ein Mädchen hoffnungslos an der Lungensucht erkrankt. Da vernahm man eines Abends den Gesang einer weißen Meerfee: „Ihr lasst sterben das Mädchen in euer Hand, Und doch blüht die Mugwurz rings ums Land.“ Man eilte und holte die wundersame Pflanze, presste den Saft und gab ihn der Kranken. Da wurde das Mädchen gerettet und genas. In einem anderen Fall aber kam der Rat der freundlichen Meerfrau zu spät. Und so mahnte sie, als man ein totes Mädchen am Hafen von Glasgow vorübertrug: „Wenn sie Nesselsaft tränken im März, Und Mugwurz äßen im Mai, so ginge noch manch’ fröhliche Maid munter am Ufer des Clay.“
Reuter ließ bei Alterdiabetes drei mal täglich eine Tasse Tee aus fünf Gramm der Wurzel monatelang trinken und Hüttner konnte eine zunehmende Glykosurie aufhalten, indem er morgens eine bis zwei Tassen Beifusstee und abends eine Tasse Tormentilla officinalis (Blutwurz) verordnete. Beifuss fördert die Entgiftung des Körpers.
Rezepte und Anwendungen, äußerlich:
Tabernaemontanus schreibt: „Beyfuss grün ein wenig gestossen und in Oel oder oder frischem Butter geröscht/ darnach zwischen zweyen Tüchern uber die Schloss der Scham warm ubergeleget/ vertreibt die Harnwindt und fürdert den verstandenen Harn/ so sie jren ursprung von Kälte haben. So man das Kraut nicht grüne haben möchte/ sol man dürres nemmen/ das ein wenig mit Wein anfeuchten/ folgendts wie obgemeldet mit Baumöl oder Butter rösten/ darnach gleichfalls uberschlagen. Beyfuss mit Schmaltz gestossen unnd in Gestalt eines Pflasters auffgelegt/ vertreibt die Geschwulst der Schinbein unnd Füss/ und den schmertzen derselben von vielen reysen oder gehen/ oder sonst von anderen Ursachen.
Beyfuss in heisser Laugen vier Nacht gebeitzet oder geweichet/ und das Haupt darmit gezwagen/ vertreibet die Milwen im Haar.
Beyfuss bestossen unnd warm ubergeschlagen wie ein Pflaster/ zertheilt die Trüsen. Dessgleichen gestossen mit Wein und Honig/ folgends ein wenig gesotten/ und Pflastersweiss ubergeschlagen/ erweychet/ reiniget und macht frei die Trüsen und Buckeln dess Angesichts.
Murray schreibt, dass Beifuss auch in China innerlich als Frauenheilmittel und äußerlich gegen Geschwüre und bei Verbrennungen Verwendung findet.
Gmelin schreibt von einem Priester am Onox-Fluss in Sibirien, der Beifusskegel als Moxe benutzt hat. Auch die Moxen, die in China und Japan angewendet werden, bestehen meistens aus Kegeln, die aus Beifusskraut gepresst und getrocknet werden.
Lonicerus schreibt 1564 in seinem Kräuterbuch, dass Kraut und Wurzel der Artemisia eine harntreibende, magenerwärmende, steinteilende, nieren-, blasen- und lungenreinigende, sowie hustenreizlindernde Wirkung hat und Gelbsucht heilt.
Hildegard von Bingen schreibt in „Physica“: Das getrocknete Kraut wird auch zum Füllen von Kopfkissen verwandt, da es, wie das Farnkraut und die Hopfenblüten für einen guten Schlaf sorgen sollen.
Ein anderes Rezept verschrieb das Kraut auch gegen Fußbeschwerden: „So sich jemand übergangen hatte, der lass ein Fußwasser mit Beifuß machen.“
Tiermedizin:
Tabernaemontanus schreibt: „Dass man ein Ross nicht uberreyten möge: Nimm Beyfusswurtzel und Bibernellenwurtzel/ jedes gleich viel/ thu es dem Ross in das Gebiss oder in den Mund/ und lass es darüber essen und trincken/ so schadet jhm kein reyten/ ob du schon zwölff oder mehr Meylen rittest. Etliche schneiden solche Wurtzeln klein und vermischens den Rossen mit dem Futter/ und lassens essen/ das soll besser seyn.
Erfolgsberichte: Dinand schreibt: Die Wurzel hat eine ganz besonders gute Wirkung bei Epilepsie und Dr. Burdach-Triebel hat damit große Erfolge erzielt. Dr. Schillings sagt: „Selbst in Fällen, in denen sie keine Heilung bringt, mildert sie wenigstens die Häufigkeit und Heftigkeit der Anfälle“ Dr. Triebel gibt folgende Vorschrift: „Sobald sich der Vorläufer eines epileptischen Anfalles zeigen, kurz vor dem Anfall selbst, oder, falls dies nicht anders möglich ist, erhält der erwachsene Kranke einen gehäuften Teelöffel des feinen Beifußwurzelpulvers mit etwas gewärmtem einfachem, schwachem Bier. Sogleich legt sich der Kranke ins Bett, deckt sich warm zu und trinkt noch etwas gewärmtes dünnes Bier nach. Der hiernach früher oder später auftretende Schweiß wird sorgfältig abgewartet, auch wenn er anhaltend ist. Nach freiwilligem Aufhören desselben darf der Kranke gut gewärmte Wäsche anziehen, muss sich aber vor Erkältung sowie Erhitzung ganz besonders aber vor Branntwein und Gemütsbewegungen hüten. Oft ist die erste Dosis schon helfend, ja sogar radikal heilend. Das Mittel kann und muss so lange wiederholt werden, als sich noch Spuren des Übels zeigen, doch ist da, wo es günstig ist, schwerlich eine Wiederholung nötig“ Die Wirksamkeit der Beifußwurzel gegen Epilepsie wird von den Ärzten Dr. v. Graefe, Osann, Hufeland, Frank, Richter u.a. bestätigt.
Weinmann berichtet 1737 in seiner „Phytanthoza iconographia“ von einem Fall, in den nach Verabreichung von Beifuß nach zehn Jahren Pause die Menstruation wieder einsetzte.
Traditionelle Indische Medizin: Sanskrit: Damanaka, Damana.
Hier werden die Blätter und Blüten verwendet. Sie sind bitter, zusammenziehend, sauer, erwärmend, aromatisch, schmerzstillend, entzündungshemmend, harntreibend, aphrodisierend, appetitanregend, fiebersenkend, wurmtreibend, blutbildend, ausleitend und die Galle anregend.
Die Arznei harmonisiert Schleim und Wind. Sie findet Verwendung bei Husten, Asthma, Bronchitis, nervöse und spasmische Anfälle, Entzündungen, Hautirritationen, Blutarmut, Appetitmangel, Blähungen, Koliken, Verwurmung, Fieber, Hysterie, Epilepsie und Masern. Beifuß wirkt entgiftend, ausleitend und ist antiseptisch. Der Frischsaft wird gegen Schlangenbisse eingesetzt.
Nebenwirkungen:
Der italienische Arzt Inverni schrieb 1933, dass er von der Gabe von Artemisia während der Stillzeit abrate, da dadurch die Milch bitter würde. Dieser Nebeneffekt würde im Ayurveda zur Medizinierung eines Kleinkindes genutzt werden.
Bei fieberhaften Erkrankungen soll man Beifuß nicht verwenden.
Levis Lewin hat unangenehm riechenden Schweiß und Vermehrung der Diurese (Wasserausscheidung) festgestellt, und bei mittleren Gaben eine allgemeine nervöse Erregung.
Allgemein soll Beifuß während der Schwangerschaft nicht eingenommen werden, da es zum Abort führen kann.
TCM:
Hübotter schreibt 1913, Beifuß vertreibe „kalte Feuchtigkeit“, wärmt den Uterus und die Körpermitte, alle Arten von Blutungen stillt, die Menstruation regelt, Vaginalausfluss kuriert, Leibschmerzen, kalte Durchfälle, Cholera und Aussatz heilt und Schlangen tötet. Er hält Beifuß, wohl wegen seiner erwärmenden Wirkung, bei fieberhaften Erkrankungen für kontraindiziert. Die getrocknete und frische Droge wird mit Essig zu Medizin verarbeitet.
Wirkrichtung
dringt in die drei Yin ein
Wirkung: Bewegt Qi und Blut, vertreibt Kälte und Feuchtigkeit, wärmt den Uterus, erleichtert die Geburt, fördert die Nachgeburt, stoppt Blutungen, wärmt die Mitte und öffnet Stauungen, reguliert und fördert die Menstruation und verhindert Fehlgeburten. Gegen Hitze, die durch Feuchtigkeitsstagnation entstanden ist <vgl. Hildegard v. Bingen: Fäulnis, die sich der Kranke durch frühere Speisen und Getränke zugezogen hat>
Muster: Leber-Qi-Schwäche, Leber-Qi-Stau, Leber-Feuchtigkeitsansammlung, Magen-Qi-Schwäche, Feuchte Hitze im ME, Wind-Kälte-PE.
Bilbliografie:
AŞŢĀNGA HŖDAYAM (Vol 1-6) von Śrimad Vagbhaţa in der Übersetzung von Hendrik Wiethase
Gesamtregister des AŞŢĀNGA HŖDAYAM, H. Wiethase, ISBN 978393763240-9
Pedainos Dioskurides, Materia Medica, 1. Jahrh.
Tabernaemontanus, ( Jakob Dietrich, Jacob Ditter/Diether bzw. Jacob Theodor), Neuw Kreuterbuch, 1588
August Paul Dinand, Handbuch der Heilpflanzenkunde, 1921
Uday Chand Dutt, Materia medica of the Hindus, Calcutta 1922
J.F. Dastur, Medicinal Plants of India and Pakistan, Bombay
Prof. Dr. Karl Hiller, Prof. Dr. M. F. Melzig, Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen, 1999